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Die Rückkehr einer Rubens-Ölskizze

„Der Heilige Gregorius von Nazianz“ des flämischen Malers Peter Paul Rubens hängt nach 79 Jahren wieder im Niederländersaal des Herzoglichen Museums.
Die bewegte Geschichte eines Herzstücks der Friedenstein’schen Sammlung

Das Gemälde hängt wieder an seinem ehemaligen Platz 26.06.2024 Gotha: Übergabe des Gemäldes „Gregor von Nazianz“ von Peter Pauls Rubens an die Friedenstein Stiftung Gotha.
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Müller

Rubens selbst fertigte die Ölskizze im Jahr 1621 an. Sie gehört zur Gothaer Serie von insgesamt fünf um 1620 entstandenen Ölskizzen des Künstlers für die Antwerpener Jesuitenkirche Carolus Borromeus. Die Serie galt als eine der bedeutendsten kunsthistorischen Juwelen der Gothaer Gemäldesammlung und wurde infolge der Kriegsereignisse des Zweiten Weltkriegs in alle Winde zerstreut. Nur zwei der Skizzen befanden sich bis vor Kurzem auf dem Friedenstein.

So sieht der Niederländer-Saal im Herzoglichen Museum heute aus. Die ursprüngliche Hängung wurde anlässlich der Sonderausstellung „Wieder zurück in Gotha! Die verlorenen Meisterwerke“ (2021/2022) wieder rekonstruiert. Die verlorenen Werke werden durch Reproduktionen in Schwarz-Weiß bzw. nur durch ihre Inventarangaben repräsentiert. In der vorliegenden Ansicht sind die zwei in Gotha befindlichen Rubens-Skizzen zu sehen (unten Mitte) sowie auch die noch fehlenden.
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Lutz Ebhardt

Der Friedenstein mit seinen bedeutenden Sammlungen hat durch Veruntreuung, Kriegsverluste und Verlagerung nach Russland gelitten wie nur wenige deutsche Kultureinrichtungen.

Im Niederländer Saal des Herzoglichen Museums Gotha markieren heute schwarz-weiße Reproduktionen den Verlust zahlreicher Werke, darunter auch die Rubens-Skizzen.

Während sich die Skizzen des „St. Athanasius“ und des „St. Basilius“ seit 1958 wieder auf dem Friedenstein befinden – sie waren nach dem Einmarsch der Roten Armee in die UdSSR verbracht, später aber wieder restituiert worden – teilen der jetzige Rückkehrer und die noch fehlenden Rubens-Skizzen ein anderes Schicksal: Sie waren im Jahr 1945 aus der Friedensteinschen Sammlung entnommen worden und mit der Argumentation, die Werke seien vor dem Zugriff der Roten Armee zu retten, bei Kriegsende nach Coburg überführt worden.




Der Oberlichtsaal des Herzoglichen Museums vor 1945, mit den Gothaer Rubens-Skizzen
© Friedenstein Stiftung Gotha

Die Werke standen damals bereits seit langem nicht mehr im Eigentum der Herzoglichen Familie von Sachsen-Coburg und Gotha, welche sie bald nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA verkaufte. Sie gehörten vielmehr der eigenständigen, öffentlichen Zwecken verpflichteten „Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’sche Stiftung für Kunst und Wissenschaft“.

Im Jahr 1952 wurde die Gregorius-Skizze von der New Yorker Galerie E. & A. Silberman an die Albright Art Gallery verkauft, die Vorgängerin der Albright-Knox Art Gallery, aus der das Buffalo AKG Art Museum hervorgegangen ist.

Friedenstein-Funk Folge 14

Die Rückkehr eines lange Vermissten

„Das Ziel der Friedenstein Stiftung Gotha ist es, die historische Integrität der Sammlung wiederherzustellen – gerade in Hinblick auf ihre Kernstücke, die fünf zusammengehörenden Rubens-Skizzen. Sie sollen wieder in ihrem historischen Kontext der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Daher freut es mich sehr, dass mit dem ‚Heiligen Gregorius von Nazianz‘ eines der verlorenen Werke zurück auf den Friedenstein findet.“
Dr. Tobias Pfeifer-Helke Direktor der Friedenstein Stiftung Gotha
So sah die Jesuitenkirche St. Karl Borromäus vor dem Brand aus. Die Deckenmalereien mit den auf Basis der Ölskizzen ausgeführten Werken sind heute zerstört. Antoon Gheringh Interior of Antwerp’s Jesuit Church, c.1665 Oil on canvas, 75,6 x 95,5 cm Antwerp, The Phoebus Foundation
© The Phoebus Foundation

Zeugnisse eines zerstörten Werkes

Die fünf Gothaer Ölstudien sind Teil einer Serie von 22 erhaltenen Werken, die Rubens als Entwürfe für die Deckenbilder der Antwerpener Jesuitenkirche schuf. Diese schmückten einst die Decken der Emporen und Seitenschiffe der Kirche. Die Arbeiten waren Rubens‘ erster großer Auftrag für ein öffentliches Gebäude und entscheidend für seine Karriere.

Die Deckenbilder zeigten abwechselnd biblische Szenen, weibliche Heilige und Kirchenväter, um den Anspruch der Jesuiten zu versinnbildlichen, die wahre katholische Lehre zu vertreten.
Während Rubens die Entwürfe selbst malte, führten namhafte Mitglieder seiner Werkstatt die Deckengemälde aus. Die Modelli zeigen die künstlerische Virtuosität des flämischen Meisters und bestechen durch Rubens‘ virtuosen, spontan modellierenden Pinselduktus, der seine eigenhändigen Ölskizzen kennzeichnet.

Die ursprünglichen 39 Deckengemälde wurden vollständig zerstört, als die Kirche am 18. Juli 1718 von einem Blitz getroffen wurde und das Dach Feuer fing. In wenigen Stunden waren große Teile der Kirche zusammengebrochen und verbrannt. Die erhaltenen Ölskizzen von 1620 sind daher als Primärdokumente von unschätzbarem Wert und ein wertvolles Zeugnis des heute zerstörten Gesamtkunstwerks.

Die Ölskizze „Der Heilige Gregorius von Nazianz“ des niederländischen Malers Peter Paul Rubens ist auf den Friedenstein zurückgekehrt. Peter Paul Rubens St. Gregorius Nazianzenus, 1621 Öl auf Eiche, 48 x 62 cm
© Christie’s Images 2024
Diese Ölskizze befindet sich seit 1958 wieder auf dem Friedenstein und hängt heute im Herzoglichen Museum Gotha. Sie war nach dem Einmarsch der Roten Armee in die UdSSR verbracht, später aber wieder restituiert worden. Peter Paul Rubens St. Athanasius, 1620 Öl auf Holz, 49,6 x 64,4 cm Friedenstein Stiftung Gotha, inv.709
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Fuchs

„Der Heilige Athanasius siegt über Arius“
1802 unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) von dem Kunsthändler François Xavier de Burtin aus Brüssel erworben | 1946–1958 Moskau |1958 Restitution

Rubens präsentiert den Heiligen als körperlich überlegenen Sieger über den Häretiker Arius. Er ist mit einer weißen, in der Taille durch eine Kordel zusammengeschnürten Albe, einem gelben Pallium, einem dunklen tunikaartiges Gewand und einem weiten braunen Mantel bekleidet.


Die Holztafel ist aus zwei horizontal verleimten Brettern zusammengesetzt. Auf der Rückseite sind zwei Hände und eine Burg in das Holz eingebrannt – die Brandmarken der Antwerpener St. Lukas-Gilde, Daneben sieht man das Monogramm des Tafelmachers, ein eingebranntes „LS“. Aufgrund der dendrochronologischen Untersuchung der Tafel lagerte das Holz elf Jahre, bevor Rubens es als Bildträger in Gebrauch nahm.

Diese Ölskizze befindet sich seit 1958 wieder auf dem Friedenstein und hängt heute im Herzoglichen Museum Gotha. Sie war nach dem Einmarsch der Roten Armee in die UdSSR verbracht, später aber wieder restituiert worden. Peter Paul Rubens St. Basilius, 1620 Öl auf Holz, 50 x 64,8 cm Friedenstein Stiftung Gotha, inv. 710
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Fuchs

„St. Basilius“
1802 unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) von dem Kunsthändler François Xavier de Burtin aus Brüssel erworben | 1946–1958 Moskau | 1958 Restitution

Wie Athanasius ist auch Basilius aus der Froschperspektive stark verkürzt dargestellt. Er tritt als asketischer Mönch in religiöser Ekstase auf. Rubens zeigt ihn daher nicht im Bischofs-, sondern im Mönchsgewand.

Er hat eine braune, schlichte, um den Bauch zugebundene Tunika und einen weiten schwarzen Mantel mit Kapuze an. Er kniet halb auf einer Wolke und blickt mit ausgebreiteten Armen in den Himmel. Vor ihm liegen drei Bücher, zwei davon aufgeschlagen. Das untere ist nur angedeutet und in die Wolkenformation eingebunden. Links windet sich eine Spiralsäule in den Himmel. Oben fliegt ein nackter Engel mit einem wallenden Tuch durch die Luft. Am Bildrand hat Rubens „S. Basilius“ vermerkt.
Der Bildträger besteht aus zwei horizontal verleimten Brettern. Er wurde in der Vergangenheit wegen der Anbringung eines Flachparketts auf der Rückseite gedünnt. Brand-, Schlag- oder Ritzzeichen haben sich daher nicht erhalten.

Diese Ölskizze zählt zu den Verlustobjekten, die auch bei Lost Art gelistet ist: Die Skizze „St. Augustinus“ befindet sich heute in der Sammlung Bührle (Schweiz) und ist im Kunsthaus Zürich zu sehen. Peter Paul Rubens Der Heilige Augustin, 1620 Öl auf Holz, 48 x 63,5cm
© Friedenstein Stiftung Gotha, Fotoarchiv

„Der Prophet Elias auf goldenem Wagen“ und „Der Heilige Augustin“ zählen noch zu den Verlustobjekten. Die beiden Rubens-Ölskizzen sind weiterhin als kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut bei Lost-Art, der Datenbank des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, gelistet.

Seit vermutlich 1952 war „Der Prophet Elias“ im Besitz von Curtius O. Baer. Der letzte bekannte Besitzer war die Sammlung George M. Baer († 2009) aus Atlanta, Georgia. Seit spätestens 1997 war die Skizze als Leihgabe in der National Gallery of Art in Washington, D.C. nachweisbar. Es ist jedoch unklar, ob sie sich derzeit noch dort befindet.

Die Skizze „St. Augustinus“ befindet sich heute in der Sammlung Bührle (Schweiz) und ist im Kunsthaus Zürich ausgestellt. Mit der Sammlung Bührle ist die Friedenstein Stiftung Gotha im guten Austausch, mit dem Ziel, das Werk als temporäre Leihgabe nach Gotha zu bringen und die gesamte Serie der Rubensskizzen in einer Ausstellung zu würdigen.

Diese Ölskizze zählt zu den Verlustobjekten, die auch bei Lost Art gelistet ist: . Der letzte bekannte Besitzer war die Sammlung George M. Baer († 2009) aus Atlanta, Georgia. Seit spätestens 1997 war die Skizze als Leihgabe in der National Gallery of Art in Washington, D.C. nachweisbar. Es ist jedoch unklar, ob sie sich derzeit noch dort befindet.“ Peter Paul Rubens Der Prophet Elias auf goldenem Wagen Öl auf Holz, 32,5 x 43 cm
© Friedenstein Stiftung Gotha, Fotoarchiv

Die Rückkehr ist das Ergebnis eines intensiven Prozesses, der geprägt ist durch das positive Zusammenwirken zweier der Öffentlichkeit verpflichteten Kultureinrichtungen (Buffalo AKG Art Museum (USA) und Friedenstein Stiftung Gotha), durch die vermittelnde und verantwortungsvolle Haltung des Auktionshauses Christie’s und nicht zuletzt durch das Engagement der EvSK.

Angestoßen wurde der Restitutionsprozess, als das Buffalo AKG Art Museum 2020 die Rubens-Skizze bei Christie’s einlieferte. Das Auktionshaus wurde gebeten, einen Verkauf der Rubens-Ölskizze „Heiliger Gregorius von Nazianz“ gemäß den Statuten der Association of Art Museum Directors (AAMD) und denen des International Council of Museums (ICOM) zu organisieren.

Prof. Dr. Dirk Boll, Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, sagt: „Bereits 2006 konnte Christie’s ein Werk mit Gotha-Provenienz zurückführen, womit eine Sensibilität für die Geschichte der Sammlung im Hause Christie’s besteht. In der Ausübung unserer eigenen Sorgfaltspflicht und dem Verständnis, dass die Kunstmarktsysteme regulatorische Verantwortung mittragen, konnten wir das US-Museum dahingehend beraten, kein Auktionsangebot auf dem offenen Markt, sondern eine direkte Rückführung nach Gotha vorzunehmen.“

In der Folge führte Christie’s für die Buffalo AKG Art Museum die Verhandlungen mit der Friedenstein Stiftung Gotha, die das Werk 2001 in die Verlustdatenbank LostArt eingestellt hatte. Von Beginn an war die Stiftung an einer gütlichen Einigung interessiert, da sie davon überzeugt war, dass das Museum das Werk im Jahr 1952 zwar gutgläubig erworben hatte, aber die wahren Eigentumsverhältnisse damals nicht offen lagen.

„Seit langem ist die EvSK ein verlässlicher Partner, wenn es darum geht, hochkarätige Bestände zurückzuführen, und so hat sie auch in die rechtliche Einordnung der diversen Verlustumstände und deren Dokumentation investiert. Die Wiedergewinnung der Rubensskizze ist sicher der Auftakt für weitere wichtige Rückführungen, bei der je nach Verlustgeschichte keine Marktpreise gezahlt werden, sondern ein fairer Ausgleich zwischen den Parteien gesucht wird. Herzlichen Dank an alle Beteiligten, die den historisch gewachsenen Sammlungszusammenhang in Gotha über einen wirtschaftlichen Erfolg gestellt haben“
Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung
Hängung des Gemäldes: Die Depotmitarbeiter Oliver Friedmann und Christian Kümpfel bringen das Gemälde wieder an seinem ehemaligen Platz an. 26.06.2024 Gotha: Übergabe des Gemäldes „Gregor von Nazianz“ von Peter Pauls Rubens an die Friedenstein Stiftung Gotha.
© Friedenstein Stiftung Gotha, Foto: Thomas Müller
Dank der großzügigen Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung (EvSK) hat sie heute ihren ursprünglichen Platz im Herzoglichen Museum Gotha wieder eingenommen.
Wieder zurück im Niederländersaal